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Frauen in der Informationsgesellschaft
Berufliche Situation |
Vorstellung
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Ich bin seit knapp zwei Jahren
selbständig mit IT-bezogenen Dienstleistungen. Ich führe
Anwenderschulungen durch und ich mache Analysen und Moderationen
im Bereich Nutzeranforderungen an zukünftige IT-Systeme. Der
Grund warum ich hier eingeladen wurde ist, daß ich vor 2,5
Jahren ein virtuelles Netzwerk für Frauen, die sich selbständig
machen begründet habe und seitdem moderiere. Dieses Netzwerk
Mediacoaching (1) hat zur Zeit rund 280 Mitglieder, die sich täglich
per E-Mail über alle Fragen ihres Geschäftsalltages austauschen.
Darüber hinaus bin ich in weiteren Netzwerken, die ebenfalls
per E-Mail arbeiten Mitglied, etwa die I-Worker (2) (rund 600 Mitglieder,
die auf unterschiedliche Weise professionell mit dem Internet zu
tun haben) und die Deutschen Webgirls (3) (etwa 6.000 Mitglieder).
Viele Mitglieder in diesen Netzwerken sind sogenannte "Neue
Selbständige", die von einem Heimarbeitsplatz aus freiberuflich
ihre Dienste anbieten und mit dieser Situation sehr zufrieden sind. |
Einführung |
Zum Einstieg in das Thema möchte ich ein
paar Zahlen zu dem Frauenanteil in IT-Berufen zeigen, es handelt
sich hier um neu geschlossene Ausbildungsverträge im Jahr 1999
(4): |
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Das sind nicht unbedingt repräsentative
Zahlen für die Berufsgruppen, die comedia vertritt, sondern
vor allen Dingen Zahlen zu Berufen, die durch die Informationsgesellschaft
neu entstanden sind oder erheblichen Zulauf bekommen haben. |
Es sind noch mehr Berufsgruppen betroffen, auf
der Hochschulebene wären hier vor allen Dingen Informatik sowie
diverse Fachinformatik-Fächer zu nennen, aber die Trends, wie
Frauen zu den Veränderungen der Berufsarbeit durch Digitalisierung
der Informationsflüsse stehen, sind überall gleich, nämlich:
Je mehr in einem Beruf Technik und Technikentwicklung im Vordergrund
stehen, je geringer das Interesse der Frauen. Je mehr die Technik
Mittel zum Zweck ist um jeweilige Ziele Methoden und Anwendungen
damit zu verwirklichen, je höher das Interesse der Frauen. |
Der Anteil der Frauen unter den Internetsurfen
ist vergleichsweise hoch, |
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Doch gibt es für die Art, wie Männer
und Frauen das Internet nutzen ebenfalls Unterschiede: Während
Frauen dazu neigen, das Internet für konkrete Zwecke zu benutzen
und am Ende ihrer Recherche wieder etwas anderes tun, neigen Männer
dazu, spielerisch weiterzuklicken. So ist der Zugang von Frauen zur
Technik offenbar sehr praxisorientiert. |
Ich möchte diese statistischen Aspekte
hier nicht weiter vertiefen, weil ich davon ausgehe, daß jetzt
die Arbeitsbedingungen und die Interessen der Frauen, die entsprechende
Berufe haben, von größerem Interesse sind. |
Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten für
Frauen in der Informationsgesellschaft |
Die Informationsgesellschaft ist arbeitsmarktpolitisch
gesehen eine Entwicklung, in der Arbeitsplätze durch IT-Systeme,
die Arbeitsabläufe vereinfachen und automatisch ablaufen lassen,
wegrationalisiert werden. In vielen Berufen sind besonders Frauen
davon betroffen, aktuell z.B. in den Bereichen Banken und Tourismus.
Zugleich entstehen durch die Informationsgesellschaft neue Berufe
und Ausgangspunkt meiner Darstellung ist, welche Trends im Bereich
dieser neu geschaffenen Berufe/ Tätigkeiten Frauen in Ihrer
beruflichen Entwicklung hemmen oder ggf. fördern. |
Folgende sieben Thesen charakterisieren aus
meiner Sicht die Chancen der Frauen in den neuen Arbeitsgebieten: |
1. Kommunikation |
Die sogenannten Soft-Skills, Kommunikation,
Kooperation, Kontaktfähigkeit, Einfühlungsvermögen,
Integrationsfähigkeit, Kundenorientierung, etc. sind bei Frauen
stärker verbreitet als bei Männern. Weil im gesamten Bereich
der I+K-Technologien der Kommunikationsfähigkeit eine besondere
Bedeutung zukommt haben Frauen hier Vorteile |
2. Dienstleistungen |
Die Informationsgesellschaft schafft vor allen
Dingen Arbeitsplätze mit Dienstleistungscharakter. Daraus ergibt
sich, daß Normalarbeitsplätze mit regelmäßigen
und geregelten Arbeitszeiten weniger verbreitet sind und in Zukunft
eher abnehmen werden. Für Frauen mit familiärer Verantwortung
ist es aufwendig, die geforderte zeitliche Flexibilität zu erbringen.
Auch Schulen, Kindertagesstellen und andere Betreuungseinrichtungen
müssen diesem Trend folgen und ihre Angebote gleichermaßen
ausbauen/ flexibilisieren. |
3. Toleranz |
Eine Branche der es gut geht, die dringend qualifizierte
Arbeitsplätze sucht, in der jeder, der bestimmte Skills hat,
Aufnahme findet ist in jedem Falle tolerant gegenüber allen
Minderheiten. Diskriminierungen aller Art setzen erst dann ein, wenn
Konkurrenzen um begrenzte Ressourcen ausgetragen werden. Entsprechend
ergeben sich auch für Frauen (die in technischen Berufen als
Minderheiten gelten) gute Möglichkeiten und eine relativ hohe
Toleranz gegenüber ihren Bedürfnissen. |
4. Schnellebige Prozesse |
Die Prozesse der Veränderungen sind so
extrem schnellebig, daß Arbeitgeber nur sehr schwer voraus
planen können. Zeitliche, räumliche und persönliche
Flexibilität wird nicht nur von den Arbeitnehmern erwartet sondern
von dem ganzen Unternehmen und diese Erwartung wird entsprechend
an die einzelnen Mitarbeiter weitergegeben. Das sind schlechte Zeiten
für feste Betriebsvereinbarungen (welcher Art auch immer). Andererseits
kann der Einzelne zu Recht erwarten, daß der Fluß der
Verhältnisse zuweilen auch sehr gut zu dem Wandel der persönlichen
Interessen paßt. |
Das Arbeiten
in befristeten
Tätigkeiten,
per Telearbeit,
projektbezogen
in virtuellen
Teams
etc |
bietet immerhin die Option, während der
gesamten Lebensarbeitszeit die organisatorisch jeweils passendere
Arbeitsform zu finden. Frauen, deren Erwerbsbiographie in sehr vielen
Fällen in dreierlei Phasen eingeteilt werden kann (vor den Kindern,
während Erziehung der Kinder, danach) könnten davon profitieren.
Dasselbe gilt selbstverständlich für Männer, die familiäre
Pflichten übernehmen möchten. |
5. Networking |
Diese bewegten Zeiten bedeuten ohne Frage einen
Verlust an sozialer Sicherheit (für alle Beteiligten, nicht
nur für Frauen). Anstatt nun aber von Arbeitgebern mehr soziale
Sicherung zu erwarten, die diese aufgrund der Verhältnisse selber
gar nicht haben geschweige denn bieten können, sollte der Fokus
des Interesses m.E. eher auf der Entwicklung und Förderung geeigneter
Netzwerke/ Interessensverbände liegen, die den einzelnen Frauen
helfen, möglichst nahtlos Anschluß (persönlich, beruflich,
fachlich, technisch) zu finden und ggf. anfallende Brückenzeiten
durch geeignete Weiterbildung zu nutzen. Frauen neigen dazu, die
erforderlichen Mitgliedschaften in Netzwerken, Fach- und Berufsverbänden
wegen der damit einhergehenden Termine und Pflichten zu vernachlässigen
und sollten den Nutzen von beruflichen Netzwerken stärker ins
Auge fassen. Das gilt ganz besonders auch für Freiberuflerinnen,
die regelmäßigen Austausch über fachliche Standards
und Entwicklungen benötigen, um nicht plötzlich den Anschluß zu
verlieren. |
6. Patchworkkarrieren |
Ein sehr vielfältiges Berufsleben mit unterschiedlichen
Positionen in verschiedenen Branchen, und jeweils unterschiedlichem
Umfang waren bisher typisch für Frauen, die wegen Kindern und
auch wegen Stellenwechseln des Ehepartners in eine andere Stadt immer
wieder andere Stellen gesucht und gefunden hatten. Solche vielseitigen
Berufsbiographien betreffen zunehmend auch Männer - mit allen
Risiken und Möglichkeiten, die damit einhergehen. Grundsätzlich
nimmt die Bedeutung traditioneller Berufswege und -Laufbahnen ab.
Zugleich nehmen auch die unkonventionellen Wege, einen Job zu bekommen
deutlich zu. In diesen schnellebigen Zeiten (jemand, der ein Projekt
bekommen hat, muß schnellstmöglich auch das richtige Team
zusammenstellen um mit der Arbeit zu beginnen) entwickelt sich zunehmend
eine Art "Just-in-time-Prinzip". Wenn wir zu einem konkreten
Thema intelligent und erfolgreich kommunizieren können und ich
obendrein im gefragten Zeitraum verfügbar bin, dann bin ich
die Richtige für den Job. Qualifikation ist selbstverständlich
aber die Länge der Liste der Referenzen und das was in den Arbeitszeugnissen
tatsächlich drin steht, verlieren an Bedeutung. Für Frauen
würde das heißen, daß sie ihre Vernetzung verbessern
müssen, damit sie überhaupt Kenntnis erhalten von dem jeweiligen
Projekt. |
7. Kurze Halbwertzeit des Fachwissens |
Aufgrund der Geschwindigkeit der Softwareentwicklung
und der allgemeinen Dynamik der Märkte hat das einmal erworbene
Fachwissen eine sehr kurze Halbwertzeit. Eine solide (Grund-)Bildung
sowie Praxiskenntnisse werden niemals wertlos, sind in aller Regel
sogar Zugangsvoraussetzung, doch wer familienbedingt eine zeitlang
pausiert hat, bekommt ohne Weiterbildung meist keinen direkten Anschluß.
Frauen konzentrieren sich häufig auf schnell zu lernende Bereiche
- aktuell z.B. Webdesign - die auf Dauer keine ausreichende Basis
bilden. |
Schlußfolgerungen |
Ich komme zu der Ansicht, daß diese Zeiten
des Umbruchs Männer grundsätzlich genauso treffen wie Frauen.
Die Dynamik der Verhältnisse ist je nach Lebenslage bzw. persönlichem
Sicherheitsbedürfnis für alle gleichmaßen schwierig.
Männer haben jedoch durch höhere Technikaffinität
zu bestimmten Jobs leichter Zugang (Kriterium der fachlichen Anforderungen). |
Diese neue Arbeitswelt besticht nicht durch
außergewöhnliche Frauenfördermaßnahmen. Es
gibt aber auch keinen Anlaß sie als frauenfeindlich zu betrachten.
Anforderungen bergen auch Chancen, das gilt insbesondere auch für
die Anforderungen an die Flexibilität der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. |
Trommeln gehört zum Geschäft, das
gilt auch für Frauen. Fleiß alleine wird selten belohnt,
Frau muß schon nachfragen. Männer machen das auch. |
Da fachliche Qualifikation zunehmend als selbstverständlich
vorausgesetzt wird, sollten Frauen ihre kommunikativen Fähigkeiten
besser betonen und den Bereichen Selbstmarketing und Networking (in
geeigneten Organisationen) angemessene Bedeutung geben. |
Mögliche Funktionen einer Gewerkschaft |
Wenn ich nun überlege, welche Funktion
eine Gewerkschaft in diesen bewegten Zeiten übernehmen könnte,
stelle ich mir folgendes vor: |
Während Telearbeit und auch die selbständige
Arbeit als Freelancer
in verschiedenen Ausprägungen immer mehr Interesse findet, ist aber die
Kenntnis, wie so eine Arbeitsform erfolgreich praktiziert werden kann, weniger
verbreitet. Telearbeit wird immer wieder falsch dargestellt, man findet immer
wieder Fotos, in denen Mutter oder Vater mit dem Kind auf dem Schoß am
Schreibtisch sitzt - das ist nicht Telearbeit. Niemand kann mit einem Kleinkind
auf dem Schoß vernünftig arbeiten. Telearbeit führt auch leicht
zu Vereinsamung. Es braucht eine Arbeitskultur, wie man damit von Seiten des
Betriebes und auf Arbeitnehmerseite umgehen kann und unter welchen Bedingungen
das überhaupt ein erfolgreiches Modell ist. Gewerkschaften könnten
die Förderung und Entwicklung von Standards und Rahmenbedingungen sowie
die allgemeine Kenntnis darüber wesentlich vorantreiben. |
Ähnliches
gilt für neue Konzepte der Weiterbildung: Computergestütztes
Lernen, Internetbasiertes Lernen, vielerlei Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
um Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten einen Wiedereinstieg
zu ermöglichen, etc., da wächst zur Zeit ein sehr vielfältiger
und vielseitiger Markt von unterschiedlichsten Firmen, Institutionen
und Angeboten. Gewerkschaften sollten sich an den Entwicklungen beteiligen
und ggf. auch selbst Angebote machen. |
Maßnahmen
zur Förderung des Frauenanteils in IT-Berufen werden auch in
Zukunft erforderlich sein, um junge Mädchen und wieder einsteigende
Mütter zu ermutigen sich für gutbezahlte Berufe mit guten
Berufsaussichten zu qualifizieren und dafür Vorbehalte und Ängste
gegenüber neuen Techniken und (scheinbaren) Männerdomänen
zu überwinden. |
Aufgrund
der Dynamik des Arbeitsmarktes wird es immer alltäglicher, daß Arbeitnehmer
und Freelancer sich immer wieder umorientieren müssen. Der Verlust
des Arbeitsplatzes/ eines wichtigen Auftraggebers verunsichert in
jedem Falle und in vielen Fällen ist Beratung in Bereichen wie
Arbeitsrecht, Vertragsrecht, Sozialrecht, Berufswegberatung und ggf.
auch ein Persönlichkeitstraining erforderlich, damit die nächsten
Schritte weiterführend sind. Hier könnten Gewerkschaften
den Betroffenen Dienste anbieten, um die Betroffenen bei den notwendigen
Schritte zu coachen. |
Aufbau
und Unterstützung von stabilen tragfähigen Netzwerken zur
Selbsthilfe, in denen Frauen sich austauschen und gegenseitig unterstützen
können, um den Verlust an sozialer Sicherheit auszugleichen. |
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comedia
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Vortrag auf dem comedia-Kongreß in Zürich,
22. Juni 2001
Brigitte Lüdecke |
comedia ist eine (junge) Gewerkschaft für Medienberufe
in der Schweiz. |
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Internetadressen und sonstige Quellen, auf die Bezug
genommen wurde: |
(1)
www.mediacoaching.de |
(2)
www.i-worker.de |
(3)
www.webgrrls.de |
(4)
Quelle: Deutscher Industrie- und Handelstag; neu abgeschlossene
Ausbildungsverträge
1999 |
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